universitäts- und landesbibliothek tirol

ARGE rossmann - eck & reiter

thomas parth :

um es kurz zu machen: zuerst einmal haben sich die architektinnen und architekten gefunden, haben eine arbeitsgemeinschaft gegründet, begannen gründlich zu überlegen, zu entwerfen und zu planen, ließen schließlich wesentliche vorgaben der wettbewerbsunterlagen unberücksichtigt, ignorierten darüber hinaus einen straßengraben und reduzierten das problem der neu zu bauenden bibliothek auf eine platte.
dann kam die jury: zuerst irritiert, dann nicht mehr, überzeugte sie land und stadt und wer sonst noch etwas zu sagen hatte und kürte die arbeitsgemeinschaft zu ihrem gewinner.
damit wäre alles gesagt.
alles, bis auf die zentrale frage nach dem straßengraben.
was nämlich, fragt sich der aufmerksame leser, geschah mit dem straßengraben? denn, wie wir alle wissen, gräben verschwinden nicht einfach. in einer bibliothek schon gar nicht.
um das verstehen zu können, kann das plattenproblem nicht übergangen werden.
in dem betroffenen campus gibts nämlich einen altbestand, das sind sechs universitätsgebäude, die um einen sogenannten innenhof angeordnet waren.
dieser innenhof war – gesellschaftlich gesehen – allerdings kein innenhof, er war nichts anderes als eine betonplatte, die den gesamten campus – obwohl mitten in der stadt liegend – als eine quarantäneanstalt definierte. jeder, der die universität damals kannte und über diese platte in den campus musste, weiß das. jede übrigens auch.
und – als ob die schaurige innenhofplatte nicht schon genug unfug angerichtet hätte – ergänzte die arbeitsgemeinschaft diese platte mit einer weiteren platte, einer außenhofplatte.  
diese vermeintliche ergänzung war allerdings ein anschlag, ebenso hinterhältig wie vernichtend: die neue außenhofplatte schob sich nämlich derart geschickt und bestimmend durch das dazwischenliegende alte gebäude hindurch bis zur angrenzenden innenhofplatte, sodass diese jeden widerstand aufgab und sich widerstandslos dem willen der außenhofplatte nach der längst fälligen öffnung zur stadt hin unterwarf.
damit war nun aber auch das schicksal des straßengrabens besiegelt.
doch langsam.
unter der neuen, großzügigen außenhofplatte platzierte die arbeitsgemeinschaft zuerst die gewünschte bibliothek und gleich dazu auch noch den neuen zentralen campuseingang. der ist direkt gegenüber der straßenkreuzung. also dort, wo es in die nahe innenstadt geht und wo bus und straßenbahn stehen bleiben und woher sie alle kommen, die studenten und professorinnen und professoren und studentinnen und alle halt, die hier etwas zu tun haben.
zum beispiel in der neuen bibliothek. diese geht vom anfang, also dem eingang, bis zum ende. das haben nun zwar die meisten räume so an sich, nur: die arbeitsgemeinschaft betonte diese banalität in solcher intensität, dass auch der bibliophobste mensch jeden widerstand aufgibt und dem sog des breiten ganges folgt und folgt – bis zum fernen fensterblick am entgegengesetzten ende.
diesem fensterblick folgend öffnen sich links die gänge zu den nur erahnbaren buchbeständen. rechts stehen stühle und tische mit den computern für all die fleißigen bibliotheksmenschen.
und links und rechts und überall gibts tageslicht. von der außenplatte oben, von der seite. von den großen verglasten lichthöfen, die licht und regen, schnee und blätter und alles, was herumfliegt, einfangen und den gerade anwesenden mit den dort installierten findlingen präsentieren. und so gehts weiter und weiter bis zum ende, dem versprochenen und nur allzu verlockenden fensterblick auf die innsbrucker nordkette.
von dem wir uns aber jetzt gleich wieder losreißen. schließlich ist das straßengrabenrätsel noch immer nicht gelöst.
deshalb zurück zu dem neuen zentralen eingang und kurz hinüber in die alte bibliothek. dann, dem großen strom folgend, hinauf auf die verwachsene innen-außenplatte und in all die anderen gebäude dieses campus.
dann aber hinaus auf die außenplatte, vorbei an den gläserbrüstungen der bibliotheks-lichthöfe mit den eingravierten ransmayr sätzen aus dem „fliegenden berg“ (das ist ein roman!) – direkt zum graben.
zum verschwundenen graben!
die arbeitsgemeinschaft ließ nämlich die platte nicht – wie es möglicherweise die eine oder der andere erwartet hätte – geradewegs dahinein abbrechen. nein, sie knickte die platte in breiten treppen bis hinunter zum gehsteig ab. dorthin, wo bus und bahn stehen bleiben und es hinein geht in die innenstadt, deren flair nun nicht mehr unwiederbringlich in den straßengraben fällt, sondern über diese stufen in den campus hinauf und hineinkriecht und dann als uniflair wieder in die innenstadt zurückfließt.
was beiden gut bekommt, wie abschließend festgestellt werden muss.

 

 

projekt

universitäts-landesbibliothek tirol
innsbruck, a

 

sonstiges

fertigstellung | herbst 2009
fotograf | lukas schaller - günter wett
text | thomas parth
ZV Bauherrenpreis 2010 | auszeichnung BTV Bauherrenpreis 2010

team

peter reiter
ralf eck
christoph eigentler
jasmin sulaiman

peter reiter architektInnen